Date of upload:
14.11.2017
Abstract:
In der 2016/17 in drei Teilen in den 'Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft' publizierten kulturwissenschaftlichen Studie werden am Beispiel der 'legalen Droge' Alkohol die Spiegelungen gesellschaftlicher Entwicklungen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts im Werk eines populären Schriftstellers aufgezeigt.
Karl May (*1842), Sohn eines erzgebirgischen Webers und einer Hebamme, war in seiner Kindheit und Jugend mit den Folgen des unmäßigen Genusses von Alkohol, insbesondere von billigem Schnaps, durch die aufgrund des Niedergangs der Heimweberei von extremer Armut geplagten Einwohner seiner Heimatstadt Hohenstein-Ernstthal konfrontiert. Mays Einschätzung des Alkohols wurde durch diese Erlebnisse geprägt. In seinem Werk werden die Postulate der ersten deutschen Mäßigkeitsbewegung aufgegriffen, die in den dreißiger und vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts gegen die - in weiten Kreisen der durch den Umbruch der industriellen Revolution betroffenen Arbeiter und Handwerker verbreitete - 'Branntweinpest' kämpfte. Deshalb ist Schnaps, anders als die von der Mäßigkeitsbewegung tolerierten Alkoholika Bier und Wein, in den populären Erzählungen Mays ein 'teuflisches' Getränk. Der Alkoholiker leidet, entgegen der herrschenden Meinung der Medizin seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert, bei May nicht an einer Krankheit, sondern wird als moralisch gefallene Persönlichkeit charakterisiert. In seinem symbolistischen Spätwerk ab 1900 griff der Autor, der dem 'bürgerlichen Flügel' der Lebensreformbewegung nahe stand, die Thesen der sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts formierenden Abstinenzbewegung auf, die nicht nur den Branntwein, sondern alle alkoholischen Getränke als Gefahr für die Gesellschaft ansah.